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Kristin Peukert9/23/23

Nr.4 - Über das Heiraten


Betrachtet aus deutscher und marokkanischer Perspektive


In Deutschland begeben sich immer weniger Paare vor den Traualtar.

Warum „trauen“ Sie sich nicht mehr?


Gab es in den 50er Jahren bis zu 700.000 Eheschließungen pro Jahr, sind es seit den 2000er Jahren nur noch 400.000. Das Ja-Wort vor dem Standesamt überwiegt eindeutig, denn im Jahr 2018 haben sich lediglich 18 Prozent der Ehepaare kirchlich trauen lassen. In meiner Familie beobachte ich ein Nord-Süd-Gefälle, wobei Angehörige im südlichen Deutschland eher den Bund der Ehe eingehen, im Norden hingegen wird darauf ganz verzichtet.

Für einige Frauen und Männer steht die Karriere an erster Stelle, andere schrecken vielleicht die hohen Scheidungsraten ab. Wieder andere betonen ihre persönliche Freiheit und ziehen es vor, ihre Beziehung auf eigene Weise und ohne gesellschaftliche Zwänge zu gestalten. Auch gesetzliche Änderungen trugen dazu bei, dass uneheliche Kinder sowie Mann und Frau "in wilder Ehe", wie es bei Goethe heißt, anerkannt und gesellschaftlich akzeptiert sind. Außerdem ist die Frau schon lange wirtschaftlich unabhängig geworden und stämmt ihren eigenen Lebensunterhalt.


In Marokko ist es Gesetz, nach islamischer Religion zu heiraten. Ein uneheliches Paar oder uneheliche Kinder werden nicht anerkannt. Das Beziehen einer gemeinsamen Wohnung oder die Übernachtung von Paaren in einem Hotel setzen eine Heiratsurkunde voraus. Übrigens galt dies auch in der ehemaligen DDR im Falle einer Wohnung, wie meine Mutter mir berichtet.


Viele junge Musliminnen sind darauf fokussiert, einen Ehemann zu ergattern, am liebsten einen wohlhabenden, der ein Haus samt Einrichtung sowie eine ansehnliche Hochzeitszeremonie bieten kann. Für einen Tag Prinzessin sein und im Mittelpunkt der Familie stehen, das wünschen sich viele Marokkanerinnen. Es wird ein Brauch zelebriert, der nur noch wenig mit der ursprünglichen islamischen Tradition zu tun hat.



Heirat ist nicht das Happy End – Sie ist immer erst ein Anfang



Längst steckt hinter jeder marokkanischen Hochzeit eine perfekt vermarktete Dienstleistung. Die Anmietung eines gigantischen, königlich dekorierten „Salle de Fêtes“ inklusive Personal kostet um die 7000 Euro. Manchmal wird ein großes Zelt vor dem elterlichen Haus aufgeschlagen. 


An diesem Abend wechselt die Braut ihr Kleid 5 bis 6 Mal, bevor als Krönung das Gewand in weiß präsentiert wird. Es ähnelt eher einer Show für die Anwesenden und ein „Zur-Schau-stellen“ der jungen Frau, die sogar auf Händen getragen eine Runde durch den Saal dreht. Die ganze Zeit ertönt sehr laute Musik aus den Lautsprechern, sodass eine Unterhaltung kaum möglich ist.


Nach ostdeutscher Tradition finden auf einer Hochzeit musikalische Darbietungen und kleine Spielchen statt. Das gemeinsame Sägen eines kleinen Baumstamms darf nicht fehlen, das Bestreuen der Frischvermählten mit Blumen oder Reis und die scheppernden Blechdosen, die das Hochzeitsauto mitzieht.

In den 50er, 60er und 70er Jahren wurden sehr schnell Heiratspläne geschmiedet, wenn die Frau schwanger war, um das Kind unter ehelichen Bedingungen auf die Welt zu bringen.


Heiraten heißt, Rechte halbieren und Pflichten verdoppeln


In Marokko kommen auch Abtreibungen vor, was aber eher die Ausnahme und nach dem Islam „haram“, also verboten ist. Es gibt nur vereinzelt Ärzte die diese heimlich durchführen. Bei einer Heirat erhält die Frau der Religion zufolge ein Geschenk von ihrem zukünftigen Mann. Dabei steht ihr jeder Wunsch offen, nach altem Brauch handelte es sich meist um ein Koran-Buch.


Heute wird großzügig Bargeld geschenkt und auch erwartet. Es gab schon Trennungen, weil die Verlobte einen echten Diamentring zur Hochzeit wollte. Dies ist nicht im Sinne des wahren islamischen Glaubens.


Viele Männer sparen eisern ihr Geld, um sich eine Vermählung überhaupt leisten zu können und nehmen oft einen Kredit auf. Es kommt nicht selten vor, dass junge Verheiratete ihren Ehe-Alltag mit Schulden starten.


Nach der Traumhochzeit stellt sich schnell wieder die Realität und der Kampf ums Einkommen ein. Meist wollen Marokkanerinnen dann schnell Kinder haben, bereits nach 1-2 Jahren. Da bleibt wenig Zeit ihren Mann richtig kennenzulernen oder sich eine gemeinsame emotionale Basis aufzubauen. Nicht wenige Männer bleiben frustriert in der Versorgerrolle stecken und sehen ihr Gehalt dahinschwinden, wenn erst einmal Kinder da sind.


Deutsche Paare bleiben länger zusammen


So heißt es in einem Artikel des ZDFs. Ich bin noch immer überrascht, wie viele Scheidungen es in der arabischen Kultur gibt, sogar kurz nach der Hochzeit. Es kann mitunter vorkommen, dass böse Zungen oder Neid in der Verwandtschaft ein frisch vermähltes Paar schnell auseinander bringen.

Es ist deshalb für Muslime umso wichtiger, dass sich das Paar gut kennt, ehrlich und authentisch miteinander umgeht, sich auf gemeinsame Erfahrungen konzentriert und in der Lage ist, sich von den eigenen Eltern abzugrenzen.


Die große Mehrheit der Frauen heiratet zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr. Sie sind meist noch jungfräulich, nur wenige Familienhäuser verlangen eine ärztliche Bestätigung darüber. Hier unterscheiden sich Marokkaner in dörflicher Gegend von denen in der Stadt. Auf dem Land sind einige sogar schon unter 18 Jahren verheiratet.

Natürlich gibt es junge Paare, die sich vorher heimlich getroffen haben, sich weitaus länger kennen und schon Zärtlichkeiten ausgetauscht haben. Sie unterscheiden sich kaum von deutschen Pärchen, aber darüber sind die Eltern meist im Unwissenden.


In Deutschland wiederum wird erst ab 30 Jahren geheiratet oder nach 5 - 7 Jahren in Beziehung, der häufigste Grund ist die Liebe. Der Gestaltung einer Hochzeit sind keine Grenzen gesetzt. Individualität wird betont. Ob in der Natur unter Bäumen, am Strand, im Meer, auf Berghöhen oder vor einem Schloss – es ist so einiges machbar. 



Glamouröse Gala und lebhafte, vergnügte Sause zugleich


Es heißt, dass eine marokkanische Hochzeit 7 Tage dauern kann. Das liegt daran, dass eine Woche vorher zur Einstimmung eine erste Feierlichkeit stattfindet, Männer und Frauen getrennt. Unter den Männern werden gemeinsam Koranverse zitiert. Frauen veranstalten einen Henna-Abend. Vorher ist es üblich, die Auserwählte im Beisein des Vaters um ihre Hand anzuhalten. Nach der offiziellen Verlobung bleibt dem Paar nur wenig Zeit sich kennenzulernen und die Heirat sollte bald darauf folgen.


In besonders strenggläubigen Familien sieht die Tradition sogar vor, dass zwei Hochzeiten stattfinden - eine nur für die Männer und eine nur für die Frauen. Auf der Vermählungsfeier wird unzähligen Gästen und Familienmitgliedern, mindestens 200 an der Zahl, ein üppiges Mahl bestehend aus mehreren Gängen serviert. Auf dem Tisch landet ein ganzes Hähnchen, ein halbes, knusprig gebratenes Schaf, Couscous sowie weitere Gänge und ein Dessert wie z.B. eine Eistorte.

Auf einer muslimischen Hochzeit wird kein Tropfen Alkohol serviert. Gäste tanzen ausgelassen bis zur Morgendämmerung.


In der gleichen Nacht nimmt der Bräutigam seine Frau unter bitterlichem Weinen und oft dramatischen Abschiedstränen der Schwiegermutter direkt mit ins gemeinsame Heim oder in sein Elternhaus.

Einen Menschen lieben heißt einwilligen, mit ihm alt zu werden


Schlussendlich folgt eine marokkanische Ehe festgelegten Standards, gleicht einer perfekten Inszenierung vor der eigenen Familie, wird vielerorts prahlerisch veranstaltet. Primäres Ziel der Frauen bleibt, für ihr Leben versorgt und finanziell abgesichert zu sein. Frauen in Deutschland sind weniger abhängig von der Versorgung durch den Mann. Sie haben es auch nicht eilig mit der Hochzeit und denken zuerst an eine gute Ausbildung.


Eine Frage bleibt am Ende...


Welche Werte sind heutzutage für die Ehe in Deutschland verblieben? Was sind gute Gründe um zu heiraten?

↬ religiöse Werte, die ernst genommen werden
↬ die Entscheidung sich offiziell an eine Person zu binden

↬ aus Liebe heiraten


↬ einer Person die Treue schwören
↬ Kindern Sicherheit geben und ein gutes Vorbild sein
↬ die Überzeugung "bis dass der Tod uns scheidet"

↬ sich vor diesem Schritt bewusst werden, dass eine Scheidung nicht in Frage kommt


↬ die Hochzeit nach Wunsch des Paares gestalten und erleben
↬ gesetzliche Bestimmung bezüglich des Erbes
↬ Höhepunkt für ein Paar und ein Bekenntnis ihrer Liebe


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